"Schulsozialarbeit"

 

Schulsozialarbeit, ein Angebot für Schülerinnen und Schüler die auffallen!
Artikel Mai 2012


Der Begriff Schulsozialarbeit, oder auch Jugendsozialarbeit an Schulen, steht in Deutschland als Sammelbegriff für sozialpädagogische und sozialarbeiterische Angebote im schulischen Kontext. Handelte es sich bei den ersten außerunterrichtlichen Angeboten an Schulen in den 1920er Jahren in den USA noch schwerpunktmäßig um niederschwellige Freizeitangebote und Hausaufgabenbetreuung durch Eltern, so beschreibt Schulsozialarbeit in Deutschland seit knapp 40 Jahren ein breites Spektrum professioneller, fachlich fundierter Angebote und Projekte. Hierbei wird Schulsozialarbeit mittlerweile an vielen Schulen als integrierte Profession gesehen, welche in einem multiprofessionell ausgerichteten Kollegium, mit der Förderung und dem Erhalt von psychosozialer Gesundheit beauftragt ist.

Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen, mit ihrem Einfluss auf die individuelle Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler, auf Unterricht, Atmosphäre und Klima einer Schule, bilden ein großes Handlungsfeld von Schulsozialarbeit. Aktuelle Untersuchungen, wie beispielsweise das vom Robert Koch- Institut durchgeführte Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KIGGS) bzw. die BELLA - Studie, sprechen bei 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren von Hinweisen auf psychische Auffälligkeiten. Andere Studien gehen diesbezüglich sogar von gut 20 Prozent aus. Bezogen auf auffällige Schülerinnen und Schüler werden häufig aggressives und dissoziales Verhalten, gefolgt von Problemen mit Gleichaltrigen, Ängstlichkeit und Depressivität sowie Unaufmerksamkeit und motorische Unruhe benannt.

Der Wandel der Schulen vom Lern- zum Lebensraum geht einher mit einer verlängerten, vermehrt ganztägigen Präsenz aller schulischen Akteure. Dieser Umstand erfordert und ermöglicht neben dem vielseitigen unterrichtlichen Angebot ein individuelles, qualitativ hochwertiges, konzeptionell angepasstes und fachlich gesichertes "Rahmenprogramm". Schulsozialarbeit installiert dabei sozialpädagogische und psychologische Konzepte zur Förderung von Schul- und Klassenklima, zum sozial-emotionalen Lernen, zur individuellen Unterstützung von Schülerinnen und Schülern sowie zur Beratung aller schulischen Akteure. Die Angebote greifen möglichst früh, sind langfristig ausgerichtet und angemessen in den Schulalltag integriert. Dabei werden sie nicht statisch einer Schule übergestülpt sondern den individuellen schulischen Gegebenheiten als Ressource angepasst und regelmäßig durch Evaluation hinterfragt und weiter entwickelt. Damit leistet Schulsozialarbeit auch einen wichtigen Beitrag für die Qualität des schulischen Kerngeschäftes, der Vermittlung von Lernkompetenz und Wissen.

Die oft zitierte "Feuerwehrfunktion" von Schulsozialarbeit beschreibt die akute Intervention in Problem- und Krisensituationen. Die individuelle Unterstützung verhaltensauffälliger Schülerinnen und Schüler erfolgt dabei in der Regel durch eine mittel- bis längerfristige kontinuierliche Begleitung in Form individueller Beratungsangebote. Neben der Hilfestellung für diese Schülerinnen und Schüler werden hierdurch auch die Lehrkräften und Mitschüler entlastet. Darüber hinaus fördert Schulsozialarbeit im Rahmen der individuellen Begleitung auch die Vernetzung und Öffnung von Schulen. Dabei werden die im Einzelfall erforderlichen Kontakte zur Schulpsychologie, zu Eltern, zu psychotherapeutischen Einrichtungen sowie freien wie öffentlichen Trägern der Jugendhilfe herstellt, vermittelt und nachhaltig gepflegt.
Die Vermittlung solcher Hilfs- und Unterstützungsangebote für auffällige Schüler und Schülerinnen ist in großen Systemen oftmals vorrangig, da die zeitlichen Ressourcen für eine Vielzahl intensiver mittel- bis langfristiger Bratungsprozesse häufig nicht ausreichen. Darüber hinaus erfordert die Begleitung dieser Schülerinnen und Schüler gelegentlich auch einen psychotherapeutischen Ansatz, der in der Regel von externen Institutionen angeboten wird.

Aus diesem Grund liegt das weitaus größere Handlungsfeld von Schulsozialarbeit in Bezug auf Verhaltensauffälligkeiten in der Präventionsarbeit. Die sozialpädagogischen Angebote werden dabei durch kontinuierliche, überwiegend ganzheitlich ausgerichtete, institutionell vernetzte und langfristig angelegte Konzepte umgesetzt. Sie werden üblicherweise in Form gemeinsamer gruppendynamischer Übungen im Klassenverband oder mit relativ stabilen außerunterrichtlichen Schülergruppen durchgeführt. Im Gegensatz zum Unterricht mit relativ klarer inhaltlicher Ergebnisorientierung sind sozialpädagogische Angebote zur Förderung der sozial-emotionalen Kompetenzen überwiegend prozess- und handlungsorientiert ausgerichtet.

Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter legen dabei nicht den Schwerpunkt auf die einzelne Übung, sondern auf ihren reflektorischen Anteil, um diese nicht als "nettes Spielchen" zu verschenken. Übungen und Aktivitäten mit gemeinsamer und ausführlicher Reflexion bieten den Schülerinnen und Schülern ein nachhaltiges Erfahrungsangebot, welches auch ihre Bereitschaft zur Verhaltensänderung fördert. Diese Form des sozial-emotionalen Lernens hilft den Schülern und Schülerinnen gesunde und tragfähige Beziehungen einzugehen, sich mit sich selbst und Ihrer Umwelt in angemessener Form auseinanderzusetzen, ihre Gefühle und Emotionen zu regulieren. Es befähigt sie zu einem sensiblen, empathischen und verantwortungsvollen Umgang mit sich und den Menschen ihrer Umwelt. Darüber hinaus ermöglichen solche Angebote den Schülerinnen und Schülern die Förderung von Resilienz, also der psychischen Widerstandskraft. Dies macht sie belastbarer in Bezug auf Stressoren, negative Erfahrungen, Erlebnisse und Umstände. Zudem werden gruppendynamischen Übungen genutzt, um partizipatorisch Regeln und Vereinbarungen innerhalb einer Schülergruppe, einer Klasse oder der gesamten Schule zu erarbeiten.

Beispielhaft für ein solches Angebot ist das Programm MindMatters zur Förderung psychosozialer Gesundheit an Schulen. Dies spricht neben der Verhaltensänderung auch die Verhältnisänderung auf institutioneller Ebene an. Grundsätzliche Aussagen zu qualitativen Aspekten von Angeboten und Programmen ermöglicht die "Checkliste Qualitätskriterien zur schulischen Gewaltprävention" der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen. Diese kann bei der Auswahl angemessener präventiver Programme mit psychosozialem Schwerpunkt genutzt werden.

Mit bewährten und erprobten präventiven Maßnahmen und Programmen sowie individueller Intervention und Begleitung in akuten Krisen- und Konfliktsituationen bietet Schulsozialarbeit eine umfangreiche Unterstützung von auffälligen Schülerinnen und Schülern und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Schulqualität auf dem Weg zu einer guten gesunden Schulen.

Ralf Rooseboom